Lyrisch-musikalisch-pantomimischer Abend unter dem Motto „Wege und Spuren“ begeisterte
Wilhelmsfeld. (pau) Der Bürgersaal hatte etwas von einem still atmenden Bühnenraum, in dem Worte, Klänge und Bewegungen nicht nebeneinander, sondern miteinander existierten. „Wege und Spuren“ nannten Sonja Viola Senghaus, Christian Straube und Ingrid Elgert ihren lyrisch – musikalisch – pantomimischen Abend – und tatsächlich schien das Publikum schon nach wenigen Minuten selbst auf einen jener inneren Wege geschickt worden zu sein, von denen an diesem Abend so viel die Rede war.
Schon der Auftakt wirkte wie das sanfte Öffnen einer Tür. Senghaus, vielfach preisgekrönte Lyrikerin und erfahrene Grenzgängerin zwischen Literatur, Musik und bildender Kunst, ließ ihre Worte in einer ruhigen Klarheit in den Raum fallen. Straube, dessen Gitarrenspiel seit Jahrzehnten Konzertsäle weit über die Region hinaus füllt, antwortete ihr mit warmen, tastenden Harmonien. Und Elgert, Linguistin, Übersetzerin und Pantomimin, schuf mit ihren Bewegungen jene Räume, die jenseits aller Sprache liegen. Das Zusammenspiel war kein
Nebeneinander, sondern ein Dreiklang: Wort, Klang und Geste – „wort: klang: spiel“ – im wahrsten Sinne.
Der Abend folgte thematischen Etappen, die sich wie eine Reise anfühlten. Im ersten Programmteil – „Erst am Ende unseres Weges stehen die Antworten“ – spannte sich ein weiter Bogen von der zarten Komposition „Hommage à Paco“ bis zu einer berührenden Pantomime über ein 13-jähriges Mädchen, dessen Weg noch ungeschrieben schien. Senghaus’ Gedicht „Eines trüben Tages“ setzte dazu einen stillen, nach innen gerichteten Kontrapunkt. Im zweiten Teil – inspiriert von Charlie Chaplins Hinweis, dass an Scheidewegen keine Wegweiser stehen – wurde der Abend spürbar intensiver. „Die End-
Scheidung“ – eine eindringliche pantomimische Szene – ließ den Raum für einen Moment vollkommen still werden. Die Gedichte „Als sie ihn verließ“ und „Meine Flucht“ erzählten von Loslassen, Aufbruch und jenen ungewissen Zwischenräumen, die das Leben uns zumutet. Straubes Gitarrenspiel schimmerte dazu wie ein dünner Faden Licht. Besonders eindrucksvoll gestaltete sich der dritte Abschnitt über Begegnungen. Elgerts Pantomime und Senghaus’ Gedichte „Nachtwind“ und „Begegnungen“ verschmolzen zu einer zarten Miniatur über Nähe und Fremdheit. Später führte Straubes virtuose Komposition „County Road“ das Publikum auf imaginäre Straßen, die sich mit den Gedankengängen des Lyrischen mischten.
Nach der Pause wurde der Abend merklich stürmischer. In „Wir tanzten Tango“ begegneten sich Wort und Bewegung in einer feinen Mischung aus Melancholie und Leichtigkeit, während Straube mit seiner Interpretation von „Tango“ die emotionalen Konturen der Szene prägte. Immer wieder überraschte Elgert mit winzigen, fast unmerklichen Gesten, die plötzlich ganze Geschichten erzählten – ein Lächeln, ein Zögern, ein ausgestreckter Arm. In den folgenden Teilen rückten Themen wie Erinnerung, Verlust und Neubeginn in den Mittelpunkt. „Traumwanderung“ und „Fluchttraum“ führten in innere Landschaften, in denen Worte unsicher wurden und allein die Musik Orientierung bot. Spätestens mit „Setz den Fuß“ war klar, dass dieser Abend auch zeigte, wie man Spuren hinterlässt – bewusst oder unwillkürlich. Den Schluss bildeten „Novemberlicht“ und „Der Ort in mir“ – zwei Texte, in denen Senghaus jene poetische Ruhe fand, die ihr Werk auszeichnet. Dazu legte Straube seine Komposition „Ladies Night“ wie ein funkelndes Geflecht aus Melodielinien unter den Vortrag, während Elgert die finale Bewegung setzte: ein Weitergehen, ein Aufbrechen, ein leises Fragen nach dem nächsten Schritt.
Auszug aus der Rhein-Neckar-Zeitung Nr. 274 (27. November 2025)
