Mannheimer Morgen, Samstag, 21. August 2010, Kultur, S.
Lesung: Sonja Viola Senghaus stellt den Band „Sprachruder“ vor
Paddeln im Strom der Worte
„Ausbrechen aus vertrauten Sprachmusterm“, so beginnt das Gedicht „Moderne Lyrik“, so beginnt das Gedicht „Moderne Lyrik“ von Sonja Viola Senghaus. Diese Zeile klingt wie ein Programm, wobei angemerkt werden darf, dass Ausbruchsversuche – egal wo oder wie im Leben – im Regelfall in neuen Gefängnissen enden. Oder, leicht ironisch bemerkt, es gibt auch in der Lyrik kaum Neues in hiesiger Sprachlichkeit, denm alles, zumindest das, worauf diese Dichterin gedanklich und ästhetisch verweist, wurde schon vorgedacht und vorgeschrieben.
Sensible Beobachtung
Gleichwohl, der Abend in der Heidelberger Stadtbücherei, als Sonja Viola Senghaus per Lesung ihren neuen Band „Sprachmuster“ vorstellte, durfte dennoch als Gewinn verbucht werden. Denn die Autorin hat viel zu sagen, gerade wenn sie knappe Sprachmuster verwendet. Aus sensibler Beobachtung, aus mitfühlender Menschlichkeit, aus feiner Empfindung heraus gestaltet sie teilnehmende Impressionen, deren dichterische Wirkung aus dem Konzentrieren aufs Wesentliche entsteht. Entschlackte Wort-Kunst, so möchte man ihre Annäherungen hin zu jeweiligen Gegenstand ihrer Assoziationen benennen dürfen.
„Leben ist Kunst“, und Kunst ist allumfassend. Mit ihren Worten tangiert Senghaus Figuren der Kulturgeschichte zwischen Kahlo und Beuys, Ovid und Novalis, Chopin und Pärt und „versprachlicht seelische Prozesse“, wie Cornelia Schertler von der Heidelberger GEDOK in ihrer Einführung anmerkte. Will heißen, wer so intim mit Wort und Sprache umgeht, der hat viel zu sagen, auch wenn gelegentliches Paddeln im Gedankenstrom die Zielgenauigkeit das Rudern ablösen mag. Komplettiert wird der Lyrik-Band durch stilisierende Schwarzweißfotografien von Klaus Senghaus. Eine feine Note erhielt der Abend zudem über korrespondierende, musikalische Zwischenspiele. BE
i S.V. Senghaus, Sprachruder, Wiesenburg, 80 S., 15,90 Euro.