Lektorenwerkstatt VI im Spiegel der Lokalpresse

Langen, 20. März 2002
Schwer, weil es so leicht ist

Lyrik im Kreuzfeuer: Robert Gernhardt diskutierte mit Nachwuchs-Schriftstellern
Langen (sda)

Normalerweise hat ein Autor es nicht gerne, wenn an seinem Werk herumkritisiert, gestrichen, geändert wird. Geschieht dies gar in einer großen Zeitung, mit Begründung und Verbesserungsvorschlag, ist möglicherweise der „Lyrikwart“ der Verursacher. Dahinter verbirgt sich Robert Gernhardt, Poetik-Dozent an der Goethe-Universität und Mann der ersten Stunde der neuen Frankfurter Schule.

Am Sonntag widmete er sich, der Essayist und Lyriker denen, die sich über Verbesserungsvorschläge ihrer Gedichte noch freuen: Beim Seminar „Lyrik im Kreuzfeuer“ der Langener Lektorenwerkstatt analysierte er die Werke von 26 Nachwuchs- Schriftstellern jeglichen Alters. Der Lyrikwart erklärte: „Gedichte sind Menschenwerke,
jedoch auch im Stande, Fehler zu korrigieren und zu verbessern.“

Die Teilnehmer an der Lektorenschulung kamen aus dem ganzen Bundesgebiet; denn es hat sich herumgesprochen, dass es in Langen wirkliche Fachkräfte als Referenten gibt. „Normalerweise bleiben Lektoren den Autoren bei ungefragt eingesandten Werken die Begründung für die Ablehnung schuldig“, schilderte Jörg Jahn, Gründer der Langener Schreib- und Lektorenwerkstatt. „Dadurch weiß man aber nicht, was zur Absage geführt hat.“

Hier hilft die Lektorenschulung: Zunächst wurde bei dem Wochenendseminar der Aufbau von Gedichten studiert – als Referent diente Franz-Peter Osterkamp, ein Deutschlehrer, der Lückentexte vorbereitet und Gedichte zerschnitten hatte. Als Highlight wurden dann in Gruppen Gedichte über Liebesbeziehungen analysiert und mit Robert Gernhardt besprochen.

Neben diesen jährlichen Seminaren für Fortgeschrittene, bei denen es schon um Stilistik, Dramaturgie und Satire ging, treffen sich in der „normalen“ Schreibwerkstatt alle zwei Wochen Laien-Schriftsteller – zumeist Menschen, die während des Berufslebens keine Zeit zum Schreiben hatten und dies jetzt unter professioneller Anleitung nachholen wollen. „Schreiben ist leicht, und weil es leicht ist, ist es so schwer“, definiert Jahn. „Wir wollen mit unseren Angeboten Nachwuchskünstler ermutigen und ihnen Handwerkszeug mit auf den Weg geben.“

erschienen in der „Langener Zeitung“, Lokal-Tageblatt der Offenbach-Post