Keine Aussicht auf Frieden (2)

Schlagzeilen
Schlagstöcken gleich
peitschen in den
Wind geworfene Worte

In diesem Sumpf
wächst keine Blume
nur Tränen und Blut
wie Sandkörner in einer
schlecht verheilten Wunde

Gehen oder bleiben

                  
Ich will bleiben
doch der Strom zieht mich mit

wohin
weiß ich nicht noch nicht

bin unbehaust
geschichtslos gesichtslos

suche
dort Zuflucht

wo Schutzwälle
mich erwarten

Fluchttraum

Im Traum flog sie
über Dächer
sprang über Mauern

am Fenster sitzend
sang sie laut in die Nacht:
die Gedanken sind frei …

endlich Leben spüren
Grenzen sprengen
Vergangenes abwerfen
nicht mehr erinnen

das war ihr Fluchtplan

sie lief schnell
doch die Kette lief mit

EndScheidung

Erst als ihre Kinder sprechen konnten
und ihr die Schamröte ins Gesicht trieben

goss sie ihm ihr Tränenpaket
auf den frisch gestärkten Hemdkragen

warf ihre stummen Jahre
auf den Küchentisch

und flüchtete zurück
in ihr altes Leben

(1. Preis Mannheimer Lyrikpreis 2016/17)

Sichtweise

In mein Haus dringst du ein
(es war nicht verschlossen)

dein Blick schweift durch lichte Zimmer
bleibt haften an der brüchigen Wand

dein Finger gräbt sich ein
in die kleine Öffnung

Staub macht sich frei
und verwirbelt die Sicht

Aufbrechen

Das Wasser treibt
Vergangenes
an die Oberfläche

Der Frosch springt!

Im Widerstreit
mit dem aufkeimenden Tag
rührt sich in mir
Jubel

Im verlassenen Schloss

Im verlassenen Schloss
der Mond
singt das bittere Lied
der Vergänglichkeit

Im verwilderten Garten
die Eule
lauscht reglos
und schweigt

 

Wenn Worte und Zeichen

Pulsierende Worte zeilenlang
fließende Zeichen atembang

ihr Vorwärtstaste ihr Verweilen
ihr ungestümes Pochen

unter der Wölbung der Haut

wenn Worte und Zeichen
sich umfangen