Bewertung des Gedichtes „Freiraum“

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes, Gräfeling/München (www.gedichte-bibliothek.de), 13.09.2004

Die Auseinandersetzung mit der Welt der Empfindungen ist Ihr Anliegen. Die Jury hat sich zur Beurteilung Ihrer Arbeit besoners mit den Grundaspekten Originalität, Sprache, Inhalt und Bildhaftigkeit Ihres Gedichtes „Freiraum“ auseinandergesetzt.

Der Text, den Sie eingesandt haben, schafft mit zweifellos eigenständigen Einfällen eine sprachliche Schöpfung, die den Anforderungen an einen Dichter gewachsen ist. Sie haben es verstanden, Ihre Botschaft sehr überzeugend zu vermitteln. Was die Bildgestaltung betrifft, bringen Sie Ihr großes lyrisches Gespür voll zur Geltung. Am ansprechendsten fand ich in dieser Hinsicht „nur über Schatten springen gelingt heute nicht“.

Klar und leicht fügen sich die Zeilen und münden in ein aufmunterndes Bild. Zuammenfassend kann ich sagen, dass sich ein hervorstechendes lyrisches Gstaltungsvermögen zeigt Was Ihre weiter Entwicklung in der Dichtkunst betrifft, so möchten wir Sie ausdrücklich ermutigen, auch weiter diesen Weg zu verfolgen – dass Sie Ihr „poetisches Handwerk“ bereits beherrschen, ist offenbar. Auf der Basis Ihrer vorhanden Qualitäten in der Themenwahl und in der Bildsprache der Lyrik sollten Sie Ihr besonderes Augenmerk auf noch originelleren sprachlichen Ausdruck legen.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich Ihr Gedicht zur Entscheidung über die Aufnahme in die nächste AnthologieBuchausgabe an das Lektorat der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte weitergeleitet habe. Es wird sich mit Ihnen im September in Verbindung setzen.

Mit den besten Wünschen für die weitere Beschäftigung mit der dichterischen Schaffenskraft,

(Dr. Klaus Pemsel, Vorsitzender der Jury)

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes 2003, Beurteilung Gedicht „Dramatisches Fragment“ (Dr. Klaus Pemsel)

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes, Gräfeling, München

Bewertung des Gedichtes „Dramatisches Fragment“
(Antwort auf Gottfried Benns ‚Nachtcafe‘)

„Sie haben sich vom weiten Feld des gesellschaftlichen Lebens inspirieren lassen. Sie Jury hat sich zur Einschätzung Ihrer Arbeit intensiv mit den Grundaspekten Originalität, Sprache, Inhalt und Bildhaftigkeit Ihres Gedichtes „Dramatishes Fragment (Antwort auf Gottfried Benns ‚Nachtcafe‘)“ beschäftigt.

Die von Ihnen eingesandte Arbeit erzeugt auf einfallsreiche Weise eine Schöpfung, die den Anforderungen auf sprachlicher Ebene gewachsen ist. Ihr Anliegen haben Sie gut verständlich gemacht. In punkto bildlicher Gestaltung ist spürbar, dass Sie im poetischen Ausdruck sattelfest sind. Ein Beispiel dafür ist die Formulierung „und die Nelke zu deiner Lieblingsblume wird“.

Rhythmus und Klang könnten den Ausdruck noch verlebendigen. Alle diese Punkte gemeinsam zeigen schon ein lyrisches Gestaltungsvermögen persönlichen Zuschnitts. Für Ihre weitere Entwicklung in der Dichtkunst möchten wir Sie dazu ermutigen, nach einem noch individuelleren und klareren Stil zu suchen. Ihre sehr gleichmäßig verteilten Fähigkeiten dürften Ihnen dabei eine gute Ausgangsbasis sein.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich Ihr Gedicht zur Entscheidung über die Aufnahme in die nächste Anthologie-Buchausgabe an das Lektorat der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedich-tes weitergeleitet habe. Es wird sich mit Ihnen im September in Verbindung setzen.

Ich wünsche Ihnen eine nicht nachlassende weitere Arbeit am lyrischen Ausdruck.“

(Dr. Klaus Pemsel, Vorsitzender der Jury der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes)

 

Nachtcafe
(Gottfried Benn, aus „Sämtliche Gedichte“, 1912)

824. Der Frauen Liebe und Leben.
Das Cello trinkt rasch mal. Die Flöte
rülpst tief drei Takte lang: das schöne Abendbrot.
Die Trommel liest den Kriminalroman zu Ende.

Grüne Zähne, Pickel im Gesicht
winkt einer Lidrandentzündung.

Fett im Haar
spricht zu offenem Mund mit Rachenmandel
Glaube Liebe Hoffnung um den Hals.
Junger Kropf ist Sattelnase gut.
Er bezahlt für sie drei Biere.

Bartflechte kauft Nelken,
Doppelkinn zu erweichen.
B-moll: die 35. Sonate.
Zwei Augen brüllen auf:
Spritzt nicht das Blut von Chopin in den Saal,
damit das Pack darauf rumlatscht!
Schluß! He, Gigi! –

Die Tür fließt hin: Ein Weib.
Wüste ausgedörrt. Kanaanit’isch braun.
Keusch. Höhlenreich. Ein Duft kommt mit.
Kaum Duft.
Es ist nur eine süße Vorwölbung der Luft
gegen mein Gehirn.

Eine Fettleibigkeit trippelt hinterher.

Dramatisches Fragment
(Antwort auf Gottfried Benns „Nachtcafe“)

In jener Nacht
als die Instrumente
sich in Menschen verwandelten
und aus ihrem gescheitelten Haar
Glaube Liebe Hoffnung in
verstopfte Ohren tropfte

In jener Nacht
als der Masse Mund
Chopin wie Perlen vor die Säue spie
und dabei das Lied auf die
Frauen das Leben und
die Liebe sang

In jener Nacht
versperr die Tür
bevor die Kannibalin
sich einnistet in deinem Bett
und die Nelke zu deiner
Lieblingsblume wird

(Sonja Viola Senghaus
18. März 2002)

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes 2002, Beurteilung Gedicht „Alte Liebe“, (Dr. Klaus Pemsel)

Gräfelfing-München vom 30.07.2002

Beurteilung Gedicht „Alte Liebe“

„Zur Beurteilung Ihrer Arbeit haben wir uns besonders mit den sprachlichen inhaltlichen, poetischen und kreativen Aspekten Ihres Gedichtes „Alte Liebe“ auseinandergesetzt.

Sie haben sich von den menschlichen Beziehungen inspirieren lassen. Das von Ihnen eingesandte Gedicht bietet mit eigenständigen Einfällen eine Schöpfung, die in sprachlicher Hinsicht aus der Menge herausragt. Sie können Ihre Botschaft klar vermitteln. In der Bildgestaltung, das möchte ich betonen, ist ungewöhnlich viel Sprachgefühl wahrnehmbar. Am ansprechendsten fand ich in dieser Hinsicht „Brüchig geworden/das gespannte/Blatt“. Bilder der Vergänglichkeit zeigen, dass die Grundsubstanz’ der Kommunikation sich verbraucht hat.

Als Resümee kann ich sagen, dass sich Ihr überdurchschnittliches lyrisches Können zeigt. Was Ihre weitere Entwicklung in der Dichtkunst betrifft, so möchten wir Ihnen ausdrücklich Mut machen, weiterhin Ihren Weg zu verfolgen – dass Sie Ihr „poetisches Handwerk bereits beherrschen, ist offenkundig. Ihr Beitrag vermittelt schon einen sehr homogenen, anerkennenswerten Gesamteindruck den Schwerpunkt sollten Sie jedoch auf die Pflege Ihres Einfallsreichtums legen.“

(Dr. Klaus Pemsel, Vorsitzender der Jury der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes)

 

Alte Liebe

Brüchig
das eingespannte
Blatt Papier
in der Maschine

Unleserlich
die zu oft bewegte
Type im Anschlag
der Tastatur

Nutzlos die rote Schrift
des zerrissenem
Farbbands

Was bleibt
außer dem Staub
am Zeilenende

(Sonja Viola Senghaus)