Gedichte „Unabhängigkeit“ und „Traumklang“ in: Begegnung, Okt. 2003

BEGEGNUNG, Zeitschrift für Lyrikfreunde, 23. Jahrgang, Nr. 118, Okt. 2003

Traumklang

Fernost
legt transparente
Schleier über wache Augen
muskulöser Flötenspieler

Frauenleiber
Schlangen gleich
im Takt der Trommeln
und ich klinge mit

(Sonja Viola Senghaus)

Unabhängigkeit

Der Flügel beraubt
schwingt
dennoch federleicht
der Vogel
sich immer höher
in die Lüfte

(Sonja Viola Senghaus)

Presseartikel „Gewagte Wortabenteuer in gestohlenen Stunden“, Hockenheimer Tageszeitung v. 29.10.2003, Nr. 250 (Elke Seiler)

Hockenheimer Tageszeitung Nr. 250 vom 29.10.200, von unserer Mitarbeiterin Elke Seiler:

Gewagte Wortabenteuer in „gestohlenen Stunden“

Neue Serie: Kulturschaffende und kreative Köpfe in der Region

Neulußheim. Die Kulturschaffenden der Region – und dies sind beileibe mehr als man vermuten würde – sollen künftig ein Forum bekommen, im Rahmen dessen ihr Schaffen vorgestellt wird. Den Auftakt der „KULT!tour“ macht die Neulußheimerin Sonja Viola Senghaus. Weitere Folgen der „KULT!tour“ finden die Leser der SZ/HTZ immer mittwochs auf den Gemeindeseiten der jeweils dort lebenen Künstler.

Ihr wacher Blick ist auf das mit Büchern gefüllte Regal geheftet, wandert von einer Reihe zur nächsten. Sie ist konzentriert, wandert von einer Reihe zur nächsten. Sie ist konzentriert, geht sorgsam einen Buchtitel nach dem anderen durch, vorbei an Hesse, Sartre, Rilke und Novalis, um ungefähr in der Mitte der vierten Reihe inne zu halten. Ein auf den ersten Blick unscheinbares Büchlein in weißem Einband zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich: „Über das Geistige in der Kunst“ von Wassily Kandinsky. Genau das hat sie gesucht. Sonja Viola Senghaus strahlt, ihre Augen leuchten, als sie das geliebte Buch in Händen hält. Die Neulußheimer Lyrikerin weiß warum. In so vielem steht ihr der russische Maler und Kunsttheoretiker nahe. Er, der bereits vor mehr als einem Jahrhundert „von der inneren Notwendigkeit sprach, sich künstlerisch zu betätigen“ und damit nicht besser hätte zum Ausdruck bringen können, was Sonja Viola Senghaus zeitlebens empfand.

Gedichte schrieb sie eigentlich schom immer. Früher als junges Mädchen, oft heimlich unter der Bettdecke, brachte sie ihre eigenen Gedanken und Träume zu Papier oder formulierte Liebesgedichte für ihre Freundinnen. Heute hat sie das Versteckspiel nicht mehr nötig. Offen und selbstbewusst bekennt sie sich zu ihrer Kunst: „Das Spiel mit Worten und Bildern fasziniert mich, es ist voller Überraschungen, nie weiß ich, wohin es mich heute führt. Mal beshreibe ich mit Worten ein Bild, das ich vor meinem inneren Auge sehe, mal formen sich aus Worten Sprachbilder.“ Ganz intuitiv geht die 55-Jährige dabei vor, lässt der Kreativität zunächst freien Lauf, um im Anschluss das Hervorgebrachte kritisch zu überarbeiten. Erst in diesem zweiten Schritt kann sie ihre Gedanken strukturieren, sprachlich und inhaltlich auf da Wesentliche reduzieren, langsam und behutsam die endgültige Gestalt des Gedichts entwickeln. Manchmal ist es ihre eigene Wahrnehmung der Welt, aus denen sich Themen ergeben, dann wieder sind es andere Menschen, ihre Probleme, ihre Lebensgeschichte, die sie inspirieren. Wann sie weiß, dass ein Gedicht fertig ist? Sie lacht. „Wenn die innere Spannung nachlässt, die mich während des ganzen Schaffenslprozesses begleitet, wenn meine innere Stimme es mir sagt.

Der Prozess des Schreibens, mit Eile ist hier nichts zu erreichen. Geduld und Hingabe an die Sache sind gefordert. Manchmal muss Sonja Viola Senghaus für diese „gestohlenen Stunden“, wie sie sie selbst nennt, kämpfen. Nicht immer leicht, sich zwischen der Arbeit im Umweltamt der Gemeinde Neulußheim und der Gemeindebücherei, Haushalt und Familie entsprechende Freiräume zu schaffen. „Ich glaube, dass es mir nur gelingt, weil eben diese innere Notwendigkeit da ist“, meint sie ein wenig nachdenklich.
Das Schreiben bedeute ihr viel, dieser Rückzug ins eigene Innere , in die Welt der freien Assoziation und Gedanken. „Wenn ich schreibe, bin ich zwar körperlich vorhanden, aber geistig und seelisch abwesend, nicht erreichbar, ich kommuniziere mit niemanden“, beschreibt sie ihre Leidenschaft, von der sie genauso wenig lassen kann wie an heißen Sommertagen von einem erfrischenden Schwimmvergnügen im nahegelegenen Blausee.

An der Lyrik liebt sie das „weite Feld“, die Offenheit, die vielen Freiheiten und Möglichkeiten, die dieses literarische Genre von der Prosa und dem szenischen Schreiben unterscheidet. Nur im Gedicht lässt sich sprachliche Verknappung so konsequent realisieren, nur das Gedicht bietet der Fantasie, auch im Bereich krativer Wortschöpfungen und Metaphern so vielfältige Möglichkeiten. Das haben bereits die Romantiker erkannt, die Anfang des 19. Jahrhunderts mit einer bilderreichen Sprache experimentierten. Gerne lässt sich Sonja Viola Senghaus von ihnen an die Hand nehmen, ihre Kunst spricht sie an, nicht zuletzt und vor allem durch ihre Senhnsuchtsmetapher der blauen Blume.

Und auch ihre Gedichte haben Erfolg. Ihre erste Lyriksammlung „Freiräume“ veröffentlichte sie im Jahre 2000 anlässlich des 98. Internationalen Frauentages, der Lyrikzyklus „Licht – Flügel – Schatten“ mit Bildern der Malerin Dorette Polnauer erschien 2002 im Speyerer Marsilius Verlag. Es folgten Veröffentlichungen in Anthologien, namhaften Literaturzeitschriften sowie Internet-Editionen. Sonja Viola Senghaus blickt bereits auf eine Vielzahl von erfolgreichen Lesungen zurück. Ds Dichterfrühstück in Bad Kreuznach, die „Lange Nacht des Friedens“ in der Versöhnungskirche Ingelheim, die Buchvorstellung „Licht – Flügel – Schatten“ im Neulußheimer Kulturzentrum „Alter Bahnhof“, ein Lyrik-Workshop im Rahmen der Nibelungen-Festspiele in Worms, die Wort-Bild-Klang-Performance mit der Gruppe „TonArtLyrik“ im Kulturforum in BadMergentheim, um nur einige ihrer Wirkungsstätten zu nennen.
Sonja Viola Senghaus freut sich über ihren Erfolg, möchte aber nicht stehenbleiben, sich ständig weiterentwickeln. Als Mensch und als Künstlerin. Für die Zukunft wünscht sie sich neue Wortabenteuer, in denen sie ihren lyrischen Ausdruck weiter entfalten kann. Auch möchte sie weiter spartenübergreifend arbeiten, die Bildende Kunst und die Musik, wie sie das zurzeit bei Auftritten mit der Gruppe „TonArtLyrik“ umsetzt, in ihre Kunst mit einbinden. „Eine Art Gesamtkunstwerk zu schaffen, ist wunderbar“, meint Sonja Viola Senghaus. Und auf ihrem Gesicht breitet sich wieder jenes Strahlen aus.


Ein Blau

Ich lasse dich ein
in mein Ätherhaus.
Du schreitest
mit moosbedeckten Füßen
durch meine Wolkenräume
und wirfst
aus deinem prächtigen Gefieder
ein Blau mir zu.

(Sonja Viola Senghaus,
1. Mai 2003)

„Künstlerinnenportrait Nr. 6 – Literatur“, GEDOK-Rundbrief Sept. 2003

GEDOK-Rundbrief, Heidelberg

Künstlerinnenportrait Nr. 6 – Literatur

Sonja Viola Senghaus
Lyrikerin und Malerin
E-mail:

Homepage: www.tonartlyrik.de

Mitgliedschaften:

GEDOK Heidelberg und BvjA (Bundesverband junger Autorinnen und Autoren)

Veröffentlichungen:

Buch-Einzeltitel:

„Licht-Flügel-Schatten“, Gedichte mit Bilderm von Dorette Polnauer, Marsilius-Verlag 2002, ISBN 3-929242-30-3

„Freiräume“ – Gedichte und Grafiken, Eigenverlag, 3. Auflage 2001

Anthologien:

„Rot trifft Blau“, Ferber-Verlag, Köln, 2002, ISBN 3-931918-007-6
„Schreiben – Ich schreibe, weil …“, Ferber-Verlag, Köln 2003, ISBN 3-931918-08-4
Elfenfest-Anhologie, „REM-Phase Master-Cut“, Edition Elf, Burgdorf, 2002
„Gedichte 2002“, Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes

Lesungen / lyrische Performance:

regional und überregional

Ich

Ergraut
nicht erstarrt
verträumt
und doch durchlässig
von innen
nach außen

(Sonja Viola Senghaus)


Entspiegelung

Spiegelbild häute dich
mit allen Fragen
und
ohne alle Mittel
stelle dich dir
selbst

(Sonja Viola Senghaus)

Besteht die Liebe

Besteht die Liebe

Lyrik & Prosa
Bibliothek (neuer) Autoren
Herausgeber: Elmar Ferber
ferber-verlag, Köln, Sept. 2003
13,- Euro
ISBN 3-931918-09-2

Zu diesem Buch:

Darin besteht die Liebe: dass sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden. (Rainer Maria Rilke)

Autorinnen und Autoren:

Isolde Ahr – Freya Bielefeld – Kurt Bott – Marianne Bruns – Dolores Burkert – Monika Demange – Rüdiger Hein – Sarah Ines – Sonja Viola Senghaus – Theresia Oehler – Paul Pfeffer – Verene Raupach – Ingeborg Reimann – Willi Volka – Helga Zeun (u.v.a.m.)

Enthaltene Gedichte:

„Täuschung“, „Sympathie“, „Ein Blau“, „Ohne mich“, „Flüchtiger Eindruck“

Presseartikel „Seelenlandschaften entdecken“, Fränkische Nachrichten v. 29.08.2003, Nr. 199 (Elke Seiler)

Seelenlandschaften entdecken

Gedichtband „Licht – Flügel – Schatten“ beeindruckt

Von unserem Redaktionsmitglied
Elke Seiler


Bad Mergentheim.
Seelische Prozesse zu versprachlichen, ihnen in Bildern Form und Farbe zu geben, bedeutet sie sichtbar zu machen, menschliche Entwicklung nach außen zu tragen. Das ist das Anliegen der beiden Kunstschaffenden Sonja Viola Senghaus und Dorette Polnauer. Ihre Erfahrungen mit Umwelt, Gesellschaft und Mitmenschen hat die Neulußheimer Lyrikerin und Malerin Sonja Viola Senghaus schöpferisch umgesetzt, sie verdichtet, in Form einer persönlichen Reduktion auf das Wesentliche in dem Gedichtband „Licht – Flügel – Schatten“ formuliert. Ihre Lyrik ist in Wechselwirkung mit Bildern der in Trier lebenden Malerin Dorette Polnauer zu begreifen, die in ihren Kunstwerken die Wahrnehmung der Außenwelt und die Befindlichkeit von Menschen in spezifischen Lebenssituationen durch eine starke Farbsymbolik zum Ausdruck bringt. „Texte und Bilder in diesem Buch gehen eine kraftvoll-ästhetische Symbiose ein, die nachhaltig zum Lesen und Schauen einlädt“, schreibt Dr. Klaus Haag ganz treffend in seinem Vorwort.

Ihre Erfahrungen mit Umwelt, Gesellschaft und Mitmenschen hat die Neulußheimer Lyrikerin und Malerin Sonja Viola Senghaus schöpferisch umgesetzt, sie verdichtet, in Form einer persönlichen Reduktion auf das Wesentliche in dem Gedichtband „Licht – Flügel – Schatten“ formuliert. Ihre Lyrik ist in Wechselwirkung mit Bildern der in Trier lebenden Malerin Dorette Polnauer zu begreifen, die in ihren Kunstwerken die Wahrnehmung der Außenwelt und die Befindlichkeit von Menschen in spezifischen Lebenssituationen durch eine starke Farbsymbolik zum Ausdruck bringt. „Texte und Bilder in diesem Buch gehen eine kraftvoll-ästhetische Symbiose ein, die nachhaltig zum Lesen und Schauen einlädt“, schreibt Dr. Klaus Haag ganz treffend in seinem Vorwort. Die Faszination, die aus dem Zusammenspiel von Wort und Bild entspringt, kann am Freitag, 28. Juni, 20 Uhr, im Alten Bahnhof bei der Buchvorstellung und Ausstellungseröffnung „Licht – Flügel – Schatten“ erlebt werden. Die Begrüßung wird Bürgermeister Gerhard Greiner vornehmen, die Einführung hält Dr. Klaus Haag.

Der Gedichtband ist in drei Abschnitte untergliedert, „Licht“ und „Schatten“ schließen die unter dem Begriff „Flügel“ im Mittelteil zusammengefassten Gedichte ein. Sie bilden eine Achse, stellen die beiden Extrempole menschlicher Befindlichkeit dar. Der Leser wird sowohl mit „Licht“ als auch mit „Schatten“ konfrontiert. Dafür, dass sich menschliches Leben aber immer irgendwo dazwischen abspielt, immer auch den Weg hin zu einer Veränderung bedeutet, steht der Mittelteil, der den Titel „Flügel“ trägt.

Die Empfindungen der menschlichen Seele bringt Senghaus anhand von Naturmetaphern zum Ausdruck: Sonnenstrahlen brechen Krusten auf („Von der Befreiung“), die Seele taucht in einen tiefblauen See („Eintauchen“). Die Tiefen menschlicher Psyche werden in Seelenlandschaften übersetzt, die vergrößert vor unserem geistigen Auge entstehen. Anklänge an das literarische Schaffen der Romantiker Anfang des 19. Jahrhunderts liegen nahe, auch die reiche Farbsymbolik weist in diese Richtung. „Grau der alte Schnee“ als Metapher für distanzierte Zwischenmenschlichkeit („Sympathie“), im Gegensatz dazu erinnert „Sich finden hinter Felswänden im blauen Traum“ („Schwäbische Alb“) an das Sehnsuchtssymbol der Romantiker, jener blauen Blume, die Novalis seinem Heinrich von Ofterdingen im Traum erscheinen ließ. Die Sehnsucht, sicher ein großes Thema, vielleicht sogar das Thema in „Licht – Flügel – Schatten“. Zumindest aber ein Thema, das alle Menschen verbindet und doch wieder ganz individuell für jeden Menschen etwas Anderes bedeutet.

Sonja Viola Senghaus hat anlässlich des 98. Internationalen Frauentages im Jahre 2000 ihre erste Lyriksammlung „Freiräume“ veröffentlicht. In zahlreichen Lesungen, unter anderem beim Dichterfrühstück in Bad Kreuznach und bei der 6. Lektorenwerkstatt in Langen durfte sie ihr lyrisches Talent unter Beweis stellen. Die Idee der inspirierenden Zusammenarbeit mit Dorette Polnauer entstand während eines gemeinsamen Seminars über Lyrik und Malerei in Inzigkofen. Dorette Polnauer arbeitet als Künstlerin und Grafikerin mit Lehrtätigkeiten im In- und Ausland. Seit 1984 präsentiert sie ihre Arbeiten der Öffentlichkeit in Gruppen- und Einzelausstellungen auf internationaler Ebene.
(Fränkische Nachrichten, 29.08.2003)

„Licht – Flügel – Schatten“
von Sonja Viola Senghaus,
mit Bildern von Dorette Polnauer,
Marsilius-Verlag Speyer
ISBN 3-929242-30-3, 17 Euro.

Konfettiküsse

Kurzgeschichten
Herausgeber: Detlef Kirschnick
DeKi e.K. Verlag, Herxheim, Juni 2003
19,80,- Euro
ISBN 3-937143-01-7

Zu diesem Buch:

Von allen Lebensfarben
einen Ton
freigeschrieben aus den Köpfen
ihrer Denker
eingebunden in eine farbige Sammlung
schwarz – weiß Belichtungen
neben hochglänzenden Augenblicken
kusszarte Annäherungen
Berührungen, die einem über die Lippen kommen.

Gedankenpailetten – die sich
in den Tag legen
feucht am Regenbogen der Sinne haften
eine Wortgemeinschaft bilden
liebevoll
ohne schweren Nach-Druck
für einen kurzen Moment
Farbe, Zauber, Freude und Phantasie
offenbaren.

Konfettiküsse

Petra-Marlene Gölz
(Umschlaggestaltung und Vorwort)


Autorinnen und Autoren:

Petra-Marlene Gölz – Barbara Franke – Sonja Viola Senghaus – Helmut Kuppinger – Erika Mehnert (u.v.a.m.)


Enthaltene Texte:

„Die Anzeige“

Gedicht „Herztöne“ in: Dulzinea, Ausgabe Nr. 5/2003

DULZINEA, Zeitschrift für Lyrik und Bild, Ausgabe Nr. 5/2003, ISSN 1618-470X (Auflage: 700 Exemplare, ausverkauft)

Schwerpunktthema: moderne Liebeslyrik
Inhalt: 33 Gedichte + 20 Haiku / Senryû + 5 x Malerei

Herztöne

Im Blickfeld bleiben
Nähe zuteilen
und Distanz
Zyklen der Herztöne

Im Herbstwald
geknüpfte Perlenschnüre
zerreißen
in der flimmernden
Mittagshitze

(Sonja Viola Senghaus)

 

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes 2003, Beurteilung Gedicht „Dramatisches Fragment“ (Dr. Klaus Pemsel)

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes, Gräfeling, München

Bewertung des Gedichtes „Dramatisches Fragment“
(Antwort auf Gottfried Benns ‚Nachtcafe‘)

„Sie haben sich vom weiten Feld des gesellschaftlichen Lebens inspirieren lassen. Sie Jury hat sich zur Einschätzung Ihrer Arbeit intensiv mit den Grundaspekten Originalität, Sprache, Inhalt und Bildhaftigkeit Ihres Gedichtes „Dramatishes Fragment (Antwort auf Gottfried Benns ‚Nachtcafe‘)“ beschäftigt.

Die von Ihnen eingesandte Arbeit erzeugt auf einfallsreiche Weise eine Schöpfung, die den Anforderungen auf sprachlicher Ebene gewachsen ist. Ihr Anliegen haben Sie gut verständlich gemacht. In punkto bildlicher Gestaltung ist spürbar, dass Sie im poetischen Ausdruck sattelfest sind. Ein Beispiel dafür ist die Formulierung „und die Nelke zu deiner Lieblingsblume wird“.

Rhythmus und Klang könnten den Ausdruck noch verlebendigen. Alle diese Punkte gemeinsam zeigen schon ein lyrisches Gestaltungsvermögen persönlichen Zuschnitts. Für Ihre weitere Entwicklung in der Dichtkunst möchten wir Sie dazu ermutigen, nach einem noch individuelleren und klareren Stil zu suchen. Ihre sehr gleichmäßig verteilten Fähigkeiten dürften Ihnen dabei eine gute Ausgangsbasis sein.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich Ihr Gedicht zur Entscheidung über die Aufnahme in die nächste Anthologie-Buchausgabe an das Lektorat der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedich-tes weitergeleitet habe. Es wird sich mit Ihnen im September in Verbindung setzen.

Ich wünsche Ihnen eine nicht nachlassende weitere Arbeit am lyrischen Ausdruck.“

(Dr. Klaus Pemsel, Vorsitzender der Jury der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes)

 

Nachtcafe
(Gottfried Benn, aus „Sämtliche Gedichte“, 1912)

824. Der Frauen Liebe und Leben.
Das Cello trinkt rasch mal. Die Flöte
rülpst tief drei Takte lang: das schöne Abendbrot.
Die Trommel liest den Kriminalroman zu Ende.

Grüne Zähne, Pickel im Gesicht
winkt einer Lidrandentzündung.

Fett im Haar
spricht zu offenem Mund mit Rachenmandel
Glaube Liebe Hoffnung um den Hals.
Junger Kropf ist Sattelnase gut.
Er bezahlt für sie drei Biere.

Bartflechte kauft Nelken,
Doppelkinn zu erweichen.
B-moll: die 35. Sonate.
Zwei Augen brüllen auf:
Spritzt nicht das Blut von Chopin in den Saal,
damit das Pack darauf rumlatscht!
Schluß! He, Gigi! –

Die Tür fließt hin: Ein Weib.
Wüste ausgedörrt. Kanaanit’isch braun.
Keusch. Höhlenreich. Ein Duft kommt mit.
Kaum Duft.
Es ist nur eine süße Vorwölbung der Luft
gegen mein Gehirn.

Eine Fettleibigkeit trippelt hinterher.

Dramatisches Fragment
(Antwort auf Gottfried Benns „Nachtcafe“)

In jener Nacht
als die Instrumente
sich in Menschen verwandelten
und aus ihrem gescheitelten Haar
Glaube Liebe Hoffnung in
verstopfte Ohren tropfte

In jener Nacht
als der Masse Mund
Chopin wie Perlen vor die Säue spie
und dabei das Lied auf die
Frauen das Leben und
die Liebe sang

In jener Nacht
versperr die Tür
bevor die Kannibalin
sich einnistet in deinem Bett
und die Nelke zu deiner
Lieblingsblume wird

(Sonja Viola Senghaus
18. März 2002)

Gedichte 2003

Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes,
Ausgewählte Werke VI

Herausgeber: Nationalbibliothek des deutschsprachichgen Gedichtes
Realis Verlags-GmbH, Gräfelfing, 2003
Umfang: 1040 Seiten
66,- EURO
ISBN 3-930048-44-2

Enthaltene Gedichte:

„Dramatisches Fragment – Antwort auf Gottfried Benns ‚Nachtcafe'“

Schreiben – ich schreibe, weil

Ferber Verlag   
ISBN-13: 978-3931918088
13 Euro

Autorinnen und Autoren:
Swantje Baumgart / Monika Demange / Eva Duwe / Karl Feldkamp / Marita Franken / Jörg Frohn / Pam Goldie / Wilhelmina Heinemann / Patric Hemgesberg / Dörte Hermann / Vera Hesse / Heike Hübsch / Sarah Ines / Katharina Jäschke / Marion Johanning / Wilfried Kapteina / Helga Karl / Claudia Kölbl / Dieter König / Erika Maaßen / Ruth Meier / Hagen Myller / Manfred Peringer / Monika Rausch / Herta Rauscher-Emge / Marianne Riefert-Miethke / Waltraud Rohrmoser / Karl Rovers / Albrecht Schau / Ilka Scheidgen / Vera Schottleitner / Sonja Viola Senghaus / Monika von Starck / Walter M. Stütz / An-Ya Tse / Willi Volka / Waltraud Weiß / Gerrit Wustmann / Armin Zastrow / Jochen Zierau / Barbara Zipfel

Zu diesem Buch:
In dem Wort schreiben finden sich zwei weitere: Schrei und reiben. Wir wollten es genau wissen und haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller gefragt: „Warum schreiben Sie?“ Die Antworten sind so vielfältig wie das Leben und deshalb haben wir dieses Buch über das Schreiben gemacht.

„Ich kann sagen, was ich will, ich werde nie herausfinden, warum man schreibt und wie man nicht schreibt.“ (Marguerite Duras)