ZEICHEN

ZEICHEN

Ausstellung Birgit Geese
und Jutta Hieret
24. Juni 2011 bis 24. Juli 2011

Vernissage
Freitag 24.06.2011 um 20:00 Uhr
Musik: Ute Reisner (Laptop-Improvisationen)
Lesung: Sonja Viola Senghaus

Finissage
Sonntag, 24.07.11 um 11:30 Uhr
Malaktion mit Birgit Geese

GEDOK Künstlerinnenforum
Markgrafenstr. 14
76131 Karlsruhe
fon/fax 0721 – 37 41 37
www.gedok-karlsruhe.de


Einführung zur Vernissage am 24.6.2011:
Sonja Viola Senghaus

In menschlichen Kulturen und besonders in den Religionen spielen Zeichen und Symbole eine wichtige Rolle: Sie stellen Regeln auf, geben Hinweise, illustrieren Hin-tergründe.
Viele Symbole verschwinden, weil das Phänomen, für das sie stehen, im täglichen Leben nicht mehr präsent ist. Beispielsweise war es im Mittelalter üblich in den Zei-ten der Pest eine spiegelverkehrte Vier an die Haustür zu malen. Das Zeichen galt als Schutzsymbol gegen die Seuche.
Auch in der Sprache ist die Bedeutung von Zeichen und Symbolen erkennbar.
Wir sprechen davon, „ein Zeichen zu setzen“ oder die „Zeichen der Zeit zu erken-nen.“  Es sind Beispiele für die Bildhaftigkeit der Kommunikation, selbst wenn sie heute in der abstrakten Form von Buchstaben und Texten daherkommt.

Zeichen und Symbole sind demnach unzweifelhaft Chiffren für das, was wir als per-sönliche, soziale oder gar kollektive Identität bezeichnen. Es gilt sie zu entziffern, diese Zeichen ohne Lesbarkeit, wobei sich formlose Wörter zu sprechenden Zeichen verwandeln können.

Sommer

Barfuß gehen
auf Straßenpflaster
im Krebsgang die Scheren
noch nicht geöffnet zum Einritzen
verwobener Chiffren in
heißen Asphalt

(Sonja Viola Senghaus)

Zeichen können ein Vorgefühl, einen Vorzustand darstellen, sie können ein Auslöser für etwas Kreatives, Kunstvolles sein, sie können ein Sinngebilde mit eigenen indivi-duellen Inhalten erfüllen. Durch einen Impuls kann ein Schwingungsfeld entstehen, das ein Wachstum hervorbringt von Buchstaben ohne Sinn bis hin zu einem Zei-chengeflecht.

Klang-Raum Stille
(an Arvo Pärt)

Unhörbar
die Wörter
die Zeichen
lautlose Blitze

so nah
am Atem
der Schattenfrau

(Sonja Viola Senghaus)

Bei der Gebärdensprache  beispielsweise spielen Bewegung, Handformen, Körper-haltung, mimischer Ausdruck, eine wichtige Rolle. Buchstaben der Lautsprache wer-den in visuelle Zeichen umgesetzt.

Schriftbilder sind Texte, Fragmente von Texten und Formen, die Bilder ergeben, Bilder mit Schrift oder Kalligrafien.

Die ersten gestalterischen „Eindrücke“ hinterließ der Mensch, indem er die Hand in eine Farbflüssigkeit tauchte und damit Zeichen auf Felswände brachte. Nach und nach bediente er sich verschiedener Hilfsmittel: mit Steinen ritzen, mit Holzstäben in Ton graben, mit Federn auf Papier schreiben. Bei den Federn ging die Entwicklung von Vogelfedern über Stahlfedern, die man beide in Flüssigkeiten tauchte, hin zu Füllern, bei denen Feder und Tinte in einem Schreibgerät verbunden sind.

In fast allen Kulturen beginnt die Geschichte der Schrift auf die gleiche Weise: Die ersten schriftlichen Äußerungen sind immer Zeichnungen, Bildzeichen oder zusam-mengesetzte Piktogramme. Einige von ihnen weisen sogar verblüffende Ähnlichkei-ten auf, obwohl sie sich in ganz unterschiedlichen Kulturen entwickelt haben.
Und überall beginnen sich diese Bildzeichen zu immer abstrakteren Lautzeichen zu entwickeln und lösen sich mehr und mehr in Gestalt und Bedeutung von dem ur-sprünglich dargestellten Gegenstand.

Birgit Geese und Jutta Hieret  haben sich dem Thema „Zeichen“ mit ihren eigenen künstlerischen Ausdruckweisen verschrieben.

Birgit Geese: „Ich beginne intuitiv Linien und Flächen mit Tusche auf Papier oder Leinwand zu bringen. Dies geht erst einmal spontan aus der Bewegung heraus, ohne dem Ganzen eine bestimmte inhaltliche Bedeutung zu geben. Tusche ist dafür be-sonders gut geeignet, weil sie schnell fließt und keine Verbesserungen zulässt, so-dass die Spontaneität erhalten bleibt. Es entstehen so unbewusste, nicht im vorhin-ein als „gut“ oder „schlecht“ bewertete „Zeichen“. Erst, was dann auf dem Papier o-der der Leinwand sichtbar ist, lässt bei mir oder dem Betrachter eine inhaltliche Bedeutung entstehen. Dies wird verstärkt durch Aneinanderstellen und Verflechten der „Zeichen“, durch Wiederholungen und Assoziationen erinnerter Formen. So bei dem Bild „Lebenszeichen“ oder bei dem 2,50 m langen Bild „Secret signs“, Bilder-
zeichen, die zum Teil verschwinden, wieder auftauchen, sich verstärken und in ihrer Gesamtheit eine Zeichen-Geschichte bilden.
Andere Bilder sind zu deuten als Zeichen für etwas, wie „Anziehung“, „Gleichklang“, „Zusammenstoß“; organisch-anorganisch, weich-hart, fließend-fest, stabil-instabil. Schwarz-weiss verstärkt die Zeichenhaftigkeit und auch die Symbolkraft mancher Formen.“

Jutta Hieret befasst sich u.a. mit gegenständlich erkennbaren Zeichen, welche aber auf weitere Lesarten interpretiert werden können. Ihre Mixed – Media – Arbeiten ma-chen einen vielschichtigen Entstehungsprozess sichtbar. Ihre in Japan entstandenen Tuschearbeiten wurden von ihr mit hinzugefügten Gegenständen fotografiert, auf Büttenpapier ausgedruckt und anschließend mit Aquarellfarben und grafischen Mit-teln fortgeführt. Zeichen, informelle Gestik, Figuration und Abstraktion korrespondie-ren in diesen Arbeiten.
Neben den Mixed-Media-Arbeiten, widmet sich J. Hieret dem Motiv des Baumes in großformatigen Handzeichnungen.

Symbole

Der Begriff „Symbol“ stammt aus dem Griechischen; ursprünglich stand er in der An-tike z.B. für einen Freundschaftsbund oder auch für einen Vertrag: Ein Tontäfelchen wurde zerbrochen, die Teile konnten beim nächsten Treffen wieder zusammengefügt (sym-ballein = zusammen-fügen) werden. Zwei Scherben symbolisierten also eine verbindliche Freundschaft oder einen Vertrag.

Beispielsweise kann man das Motiv Baum einfach so betrachten – und dann über das Bild hinaus einen tieferen Sinn entdecken (z.B. Baum: im Leben verwurzelt sein / was lässt mich wachsen). Wir kennen von der Buche abgeleitete Begriffe wie „Buch“,
„Buch des Lebens“, aber auch „Buchenwald“ und „Judenbuche“.

An Klaus

Dich wissend
unter dem Schatten
einer Buche
Der Nachtvogel
singt sein Winterlied:
Ombra mai fu

(Sonja Viola Senghaus)

Der Baum ist eines der bedeutungsreichsten Symbole: Er kann den Aufstieg symbo-lisieren, aber er kann auch eine Wächterfunktion übernehmen, eine heilige Stätte repräsentieren, als Lebens- und Opferbaum. Als kosmischer Baum und als umge-kehrt wachsender Baum bildet er eine Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwi-schen Makrokosmos und Mikrokosmos: Weltweit und zu allen Zeiten ist ein Baum-kult, also die religiöse Verehrung heiliger Bäume als Verkörperung  mythischer Le-bensbäume und der Lebenskraft der Vegetation selbst, aber auch als Sitz und Sym-bol von Gottheiten und Geistern, zu beobachten.
Der Baum des Lebens ist ein zeitloses Symbol der Erneuerung, Wiedergeburt und unzerstörbaren Kraft des Lebens.
Die Vorstellung hiervon existiert in vielen Kulturen: Bei den Germanen ist es die Wel-tenesche Yggdrasil, bei den Christen der Garten Eden und auch im Judentum ist er existent. Kaum einem Gegenstand wurden so viele Bedeutungen zugesprochen wie dem Baum.

Jutta Hieret geht es in ihren Bildern aber nicht allein um den symbolischen Gehalt, sondern ebenso um das Nachspüren der organischen Formen, dem  Wachstums-prozess der dargestellten Bäume, die sie auf Reisen in verschiedenen Ländern ent-deckt und erlebt hat. Mit unterschiedlichen grafischen Mitteln hat sie das Erfahrene in ihre Bildsprache übersetzt.

Der Baum blüht trotzdem 

Der Baum blüht trotzdem
Immer haben die Bäume
auch zur Hinrichtung geblüht

Kirschblüten und
Schmetterlinge
treibt der Wind  
auch dem Verurteilten
ins Bett

Sie gehen weiter
Blütenhalter
ohne den Kopf zu wenden
die hellen Reihen

Mancher sagt ein Wort zu dir
oder du glaubst, dass er spricht
im Vorbeigehen

(Hilde Domin)

Nun sind Sie an der Reihe, liebe Gäste, die versteckten Symbole und Zeichen für sich zu entdecken. Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei.

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