Ich schreibe, weil die Worte mich finden

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„Sprachruder“: Zweiter Lyrikband von Sonja Viola Senghaus erschienen /Naturbilder ihres verstorbenen Mannes ergänzen die Gedichte

Ich schreibe, weil die Worte mich finden

von unserer Mitarbeiterin Elke Barker

Neulussheim/Speyer. „Sprachruder“ ist der Titel des zweiten Gedichtbands von Sonja Viola Senghaus.

Im Mittelpunkt stehen, Mensch, Natur und Gesellschaft. Auch der Dialog mit anderen Künsten ist der zwischenzeitlich in Speyer lebenden Lyrikerin wichtig. Wir sprachen mit Sonja Viola Senghaus über ihr Buch, in dem sich ihre Gedichte und die Fotografien ihres verstorbenen Mannes Klaus Senghaus ergänzen.

Frau Senghaus, das zweite Buch ist bekanntlich das schwierigste. Wie haben Sie das erlebt?

Sonja Viola Senghaus: Druck von außen war bei mir nicht da. Ich selbst hatte jedoch den starken Wunsch, dieses Buch mit meinen Gedichten und den Fotografien meines verstorbenen Manns endlich auf den Markt zu bringen. Ursprünglich wollten wir dieses Projekt ja noch gemeinsam machen. Und viele Gedichte existierten auch schon eine Weile, ich hatte sie auf Veranstaltungen gelesen und einige Leute fragten bereits nach, wann sie in einem Buch zu finden seien.

Sie haben Ihren Gedicht “Sprachruder” genannt. Was hat es damit auf sich?

Senghaus: Der Titel geht auf das gleichnamige Gedicht zurück, das auch im Buch enthalten ist. Das Rudern ist dabei metaphorisch aufzufassen. Rudern ist etwas sehr Kraftvolles, denn man überwindet den Wasserwiderstand. Und genauso ist es, wenn wir mit der Sprache rudern. Wir versuchen, innere u nd äußere Widerstände zu überwinden. Das Foto meines Mann, das eine Ruderin auf dem Neckar zeigt und auf dem Buchcover zu sehen ist, drückt genau diese Vorstellung aus.

In einem Ihrer Gedichte sagen Sie “Ich schreibe, weil die Worte mich finden”. Könnten Sie das genauer erläutern?

Senghaus: Wenn etwas in mir im Aufruhr ist, womit wir wieder bei den Sprachrudern wären, kommen die Worte ganz von selbst. Das ist in der Tat so. Mit dem Aufschreiben spontaner Ideen ist ein Gedicht jedoch noch lange nicht fertig, es muss gestaltet und geformt werden, der Überarbeitungsprozess darf nicht unterschätzt werden.

Es gibt ganz verschiedene Auffassungen von der Rolle eines Autors in der Welt, von politischem Engagement bis hin zur absoluten Innerlichkeit. Wo sehen Sie Ihre Aufgabe?

Senghaus: Ich möchte in erster Linie Seelenlandschaften offenbaren, innere Prozesse nach außen sichtbar und erfahrbar machen. Ich möchte zeigen, dass auch unsere Sehnsüchte, Erfahrungen und Ängste einen Wert haben, dass sie wichtig sind, damit wir reifen und wachsen können. Und ich möchte den Menschen Mut machen, ihnen sagen, dass es Lösungen gibt, solange man nach ihnen sucht. In einigen meiner Gedichte kommentiere ich auch politische und gesellschaftliche Prozess e, diese Gedichte sind zahlenmäßig in der Minderheit, bedeuten mir aber trotzdem viel.

War die Realisierung des Buches auch ein Stück Trauerarbeit?

Senghaus: Auf jeden Fall. Nach dem Tod meines Mannes im Frühjahr 2008 habe ich seine Fotos zunächst weggepackt und wollte mich nicht damit auseinandersetzen. Ich wollte und musste neu anfangen. Erst bei der Arbeit an diesem Buch habe ich seine künstlerische Arbeit neu erlebt und geschätzt. Er hatte eine so große Liebe zur Natur. Die Natur zu zeigen, in seiner ganzen Schönheit, kleine Dinge dabei ganz groß werden zu lassen, wunderbare Stimmungen einzufangen, das war sein Anliegen. Für mich sind diese Fotos ein Schatz, den ich mein Leben lang hüten werde und ich bin sehr glücklich, dass dieses Buch entstanden ist.

Auch in Ihrem ersten Gedichtband “Licht – Flügel – Schatten”, der Gedichte und Gemälde von Dorette Polnauer enthält, treffen Kunst und Literatur aufeinander.

Senghaus: Ja, denn der Kontakt zu anderen Kunstrichtungen ist mir wichtig. Als Schreibender liest man natürlich und holt sich Impulse aus der Literatur. Aber nicht nur. Auch Theater, Bildende Kunst oder Musik können diese Funktion haben. Was dann entsteht, ist oft etwas ganz Anderes und Neues. Gedichte wie im Gegenlicht zu einem Musikstück oder zu einem Bild. Das ist ein ungeheuer spannender Prozess.

Sie leiten auch Schreibwerkstätten. Warum ist es Ihnen wichtig, auf Leute zuzugehen und in den Dialog mit anderen Kunstschaffenden zu treten?

Senghaus: Als ich mit dem Schreiben anfing, war ich um jede Hilfestellung dankbar und habe viele Fortbildungen und Seminare besucht. Und dann habe ich gemerkt, dass ich einen immer besseren und genaueren Blick für Texte bekam. So beschloss ich, anderen Menschen bei der Arbeit an ihren Gedichten zu helfen, sie dazu anzuleiten, ihren eigenen, literarischen Weg zu finden und zu gehen. Ich biete Textwerkstätten an verschiedenen Volkshochschulen an und habe auch zwei Werkstätten mit Gefangenen in der Strafvollzugsanstalt in Mannheim und Bruchsal geleitet. Ich bin ein Mensch, der keine Berührungsängste hat, der einfach das weitergeben möchte, was er kann und weiß.

Sie sind gerade von Neulußheim nach Speyer gezogen. Wie wurden Sie dort aufgenommen?

Senghaus: Mit offenen Armen. Kaum war ich da, habe ich auf Ausstellungen, Konzerten und Lesungen die Leute der Kulturszene kennen gelernt, wo ich mich gut aufgehoben fühle. Auch die Stadt selbst gefällt mir sehr gut und liefert mir täglich viele neue, auch literarische Impulse. elb

Sonja Viola Senghaus:
„Sprachruder“, mit Fotografien
von Klaus Senghaus, Wiesenburg
Verlag Schweinfurt 2010, ISBN
978-3-942063-23-4, 15,90 Euro.
Informationen über Lesungen und
über verschiedene Workshops
sind zu finden unter
www.tonartlyrik.de

Schwetzinger Zeitung
31. Juli 2010

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