Presseartikel „Gewagte Wortabenteuer in gestohlenen Stunden“, Hockenheimer Tageszeitung v. 29.10.2003, Nr. 250 (Elke Seiler)

Hockenheimer Tageszeitung Nr. 250 vom 29.10.200, von unserer Mitarbeiterin Elke Seiler:

Gewagte Wortabenteuer in „gestohlenen Stunden“

Neue Serie: Kulturschaffende und kreative Köpfe in der Region

Neulußheim. Die Kulturschaffenden der Region – und dies sind beileibe mehr als man vermuten würde – sollen künftig ein Forum bekommen, im Rahmen dessen ihr Schaffen vorgestellt wird. Den Auftakt der „KULT!tour“ macht die Neulußheimerin Sonja Viola Senghaus. Weitere Folgen der „KULT!tour“ finden die Leser der SZ/HTZ immer mittwochs auf den Gemeindeseiten der jeweils dort lebenen Künstler.

Ihr wacher Blick ist auf das mit Büchern gefüllte Regal geheftet, wandert von einer Reihe zur nächsten. Sie ist konzentriert, wandert von einer Reihe zur nächsten. Sie ist konzentriert, geht sorgsam einen Buchtitel nach dem anderen durch, vorbei an Hesse, Sartre, Rilke und Novalis, um ungefähr in der Mitte der vierten Reihe inne zu halten. Ein auf den ersten Blick unscheinbares Büchlein in weißem Einband zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich: „Über das Geistige in der Kunst“ von Wassily Kandinsky. Genau das hat sie gesucht. Sonja Viola Senghaus strahlt, ihre Augen leuchten, als sie das geliebte Buch in Händen hält. Die Neulußheimer Lyrikerin weiß warum. In so vielem steht ihr der russische Maler und Kunsttheoretiker nahe. Er, der bereits vor mehr als einem Jahrhundert „von der inneren Notwendigkeit sprach, sich künstlerisch zu betätigen“ und damit nicht besser hätte zum Ausdruck bringen können, was Sonja Viola Senghaus zeitlebens empfand.

Gedichte schrieb sie eigentlich schom immer. Früher als junges Mädchen, oft heimlich unter der Bettdecke, brachte sie ihre eigenen Gedanken und Träume zu Papier oder formulierte Liebesgedichte für ihre Freundinnen. Heute hat sie das Versteckspiel nicht mehr nötig. Offen und selbstbewusst bekennt sie sich zu ihrer Kunst: „Das Spiel mit Worten und Bildern fasziniert mich, es ist voller Überraschungen, nie weiß ich, wohin es mich heute führt. Mal beshreibe ich mit Worten ein Bild, das ich vor meinem inneren Auge sehe, mal formen sich aus Worten Sprachbilder.“ Ganz intuitiv geht die 55-Jährige dabei vor, lässt der Kreativität zunächst freien Lauf, um im Anschluss das Hervorgebrachte kritisch zu überarbeiten. Erst in diesem zweiten Schritt kann sie ihre Gedanken strukturieren, sprachlich und inhaltlich auf da Wesentliche reduzieren, langsam und behutsam die endgültige Gestalt des Gedichts entwickeln. Manchmal ist es ihre eigene Wahrnehmung der Welt, aus denen sich Themen ergeben, dann wieder sind es andere Menschen, ihre Probleme, ihre Lebensgeschichte, die sie inspirieren. Wann sie weiß, dass ein Gedicht fertig ist? Sie lacht. „Wenn die innere Spannung nachlässt, die mich während des ganzen Schaffenslprozesses begleitet, wenn meine innere Stimme es mir sagt.

Der Prozess des Schreibens, mit Eile ist hier nichts zu erreichen. Geduld und Hingabe an die Sache sind gefordert. Manchmal muss Sonja Viola Senghaus für diese „gestohlenen Stunden“, wie sie sie selbst nennt, kämpfen. Nicht immer leicht, sich zwischen der Arbeit im Umweltamt der Gemeinde Neulußheim und der Gemeindebücherei, Haushalt und Familie entsprechende Freiräume zu schaffen. „Ich glaube, dass es mir nur gelingt, weil eben diese innere Notwendigkeit da ist“, meint sie ein wenig nachdenklich.
Das Schreiben bedeute ihr viel, dieser Rückzug ins eigene Innere , in die Welt der freien Assoziation und Gedanken. „Wenn ich schreibe, bin ich zwar körperlich vorhanden, aber geistig und seelisch abwesend, nicht erreichbar, ich kommuniziere mit niemanden“, beschreibt sie ihre Leidenschaft, von der sie genauso wenig lassen kann wie an heißen Sommertagen von einem erfrischenden Schwimmvergnügen im nahegelegenen Blausee.

An der Lyrik liebt sie das „weite Feld“, die Offenheit, die vielen Freiheiten und Möglichkeiten, die dieses literarische Genre von der Prosa und dem szenischen Schreiben unterscheidet. Nur im Gedicht lässt sich sprachliche Verknappung so konsequent realisieren, nur das Gedicht bietet der Fantasie, auch im Bereich krativer Wortschöpfungen und Metaphern so vielfältige Möglichkeiten. Das haben bereits die Romantiker erkannt, die Anfang des 19. Jahrhunderts mit einer bilderreichen Sprache experimentierten. Gerne lässt sich Sonja Viola Senghaus von ihnen an die Hand nehmen, ihre Kunst spricht sie an, nicht zuletzt und vor allem durch ihre Senhnsuchtsmetapher der blauen Blume.

Und auch ihre Gedichte haben Erfolg. Ihre erste Lyriksammlung „Freiräume“ veröffentlichte sie im Jahre 2000 anlässlich des 98. Internationalen Frauentages, der Lyrikzyklus „Licht – Flügel – Schatten“ mit Bildern der Malerin Dorette Polnauer erschien 2002 im Speyerer Marsilius Verlag. Es folgten Veröffentlichungen in Anthologien, namhaften Literaturzeitschriften sowie Internet-Editionen. Sonja Viola Senghaus blickt bereits auf eine Vielzahl von erfolgreichen Lesungen zurück. Ds Dichterfrühstück in Bad Kreuznach, die „Lange Nacht des Friedens“ in der Versöhnungskirche Ingelheim, die Buchvorstellung „Licht – Flügel – Schatten“ im Neulußheimer Kulturzentrum „Alter Bahnhof“, ein Lyrik-Workshop im Rahmen der Nibelungen-Festspiele in Worms, die Wort-Bild-Klang-Performance mit der Gruppe „TonArtLyrik“ im Kulturforum in BadMergentheim, um nur einige ihrer Wirkungsstätten zu nennen.
Sonja Viola Senghaus freut sich über ihren Erfolg, möchte aber nicht stehenbleiben, sich ständig weiterentwickeln. Als Mensch und als Künstlerin. Für die Zukunft wünscht sie sich neue Wortabenteuer, in denen sie ihren lyrischen Ausdruck weiter entfalten kann. Auch möchte sie weiter spartenübergreifend arbeiten, die Bildende Kunst und die Musik, wie sie das zurzeit bei Auftritten mit der Gruppe „TonArtLyrik“ umsetzt, in ihre Kunst mit einbinden. „Eine Art Gesamtkunstwerk zu schaffen, ist wunderbar“, meint Sonja Viola Senghaus. Und auf ihrem Gesicht breitet sich wieder jenes Strahlen aus.


Ein Blau

Ich lasse dich ein
in mein Ätherhaus.
Du schreitest
mit moosbedeckten Füßen
durch meine Wolkenräume
und wirfst
aus deinem prächtigen Gefieder
ein Blau mir zu.

(Sonja Viola Senghaus,
1. Mai 2003)

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