Sprachruder

Sonja Viola Senghaus
Sprachruder
Gedichte. Mit Fotografien
von Klaus Senghaus, Wiesenburg-Verlag, Schweinfurt 2010,
80 Seiten, 15,90 €

Der schöne, gebundene Band beinhaltet 59 Gedichte (meist kurz) gteilt in 5 Zyklen:“Sprache  /Klang“ (10 Gedichte), „(Natur-)Gewalten“ (5), „Ausgrenzung / Widerstand“ (9), „Traum / Erinnerung“ (24) und „Aufbruch/Erwachen“ (11).
Der Band erscheint nach zwei anderen Gedichtbänden, „Freiräume“ (2000, 2001 – 2. Auflage) und „Licht – Flügel – Schatten“ (2002, 2005 – 2. Auflage).
„Ich schreibe / weil die Worte / mich finden“
(Schreiben) verriet uns die Lyrikerin aus Speyer. Die Thematik ihrer Poesie ist ziemlich breit, sie schreibt sogar über „Tsunami“ in Sri Lanka.
In ihrer Poesie findet man viel Sensibiität: Großmutter / deine Engel / werfen Schatten / auf die Kommode / Die Flügel berühren sanft / mein Briefpapier“ (Korrespondenz), Wie die Regenhände den Traum verwischten“ (Nur in den Nächten), „Der Regen / schwemmt / ein Lächeln / übers Dach“ (Unter dünner Schicht).
Die Autorin scheint begeistert zu sein von der modernen Lyrik und widmet ihr ein Gedicht“: „Ausbrechen / aus vertrauten Sprachmustern / Alltägliche Lautgebilde / ablegen / Entfliehende Wortbilder / neu erschaffen / Aufbrechen / in ungewohnte Textformen“ (Moderne Lyrik).
Man findet je ein Motto von Erich Kästner, Michelangelo oder Thomas Mann und sie schreibt eine „Antwort auf Gottfried Benns Nachtcafe“, an Novalis oder an E.T.A. Hoffmanns „Goldenen Topf“. Sonja Viola Senghaus, begeistert von der Malerei und den Malern, schreibt ein schönes Gedicht für Frida Kahlo (Die zerbrochene Säule).
In ihrer Lyrik überwiegt das Visuelle. Die Autorin selbst charakterisiert sachlich und kurz ihr Schaffen: „Dieses Buch findet Antworten, ergründet, zeigt die menschlichen Entwicklungen, Sehnsüchte, Ängste, Erfahrungsprozesse auf, alle Facetten des menschlichen Lebens“. Für sie geht die Poesie Hand in Hand mit der Malerei, die Worte sind bunte Farben. Ein sehenswertes und lesenswertes Buch.

Mircea M. POP, aus „Die Brücke Nr. 1 / XXX. Jahrgang“, Januar – April 2011 Forum für antirassistische Politik und Kultur, ISSN 0931-9514

 

 

 

Die hellen Tage

Die hellen Tage
bewegen wieder den Fluss

auch meine Augen
werden lichter

und die Möven keischen
nicht mehr so schrill

Unverlierbar

„Schreiben, ein Versuch,
etwas unverlierbar zu machen“
(nach Olliver Roland)

Verloren

eine Vielzahl
von Jahren
von Dingen

auch Zähne
und Haare
auch Menschen

Unverlierbar

die verschwendete Zeit
die Wörter
die leuchten

ohne Wissen
wohin

Traumwanderung

Nackten Fußes
traumwandre ich
auf rauer Straße

In engen Gassen
tanzen sie
die Träume

Traumfinderin
bin ich in Traum
verlornen Städten

Die Sehnsucht

Die Sehnsucht
diese flatterhafte Möve
ritzt ihre Namen
in mein dünnes Hautgeflecht

Die Zweifel
diese wachsamen Hüter
hüllen mich ein
in ihr grobes Leinengewand