Geistreiche und humorvolle Sprachspiele

Gelungenes „Poetenfeuer“ im Turm 33 / Musikalische Unterbrechung zwischen Texten

Bein an Bein, Schulter an Schulter – der kleine Raum in „Turm 33“ ist zum Bersten voll. Angelockt von dem viel versprechenden Thema des Abends, „Helden des Alltags“, warten die Besucher geduldig bei einem Gläschen Wein oder einem Schoppen Bier auf den Beginn der Lesung. Das Licht wird herunter gedreht, angenehme besinnliche Töne dringen in das Bewusstsein.
Das Publikum verstummt und der Schriftsteller Frank Domenico Montalbano übernimmt das Wort. Der quirlige Anfang-Vierziger gewinnt sofort die Sympathien der Besucher. Mit einem geistreichen und humorvollen Sprachspielchen regt Montalbano die grauen Zellen zum Mitdenken an. In einer anderen Geschichte beschreibt er den Leidensweg eines Textes, der immer weiter gekürzt, nur noch sein eigenes Ende vorzuweisen hat: „Why?“

Überzeugen kann auch die pfälzische Schriftstellerin Edith Brünnler. Mit witzigen und sarkastischen Texten aus ihrem Buch „Welten im Fluss“ erheitert sie das Publikum auf vielfältige Art und Weise. Ob in Pfälzer Mundart oder in gestochenem Hochdeutsch, treffend beschreibt die Ludwigshafenerin die komischen Momente des Alltags. „Ich schreibe erst seit 2001 Kurzgeschichten“, erklärt die Schriftstellerin, die ansonsten ihre Brötchen als EDV-Beraterin verdient. „Ich habe damals eine Hexe für die Tochter einer Freundin gebastelt und eine Geschichte dazu geschrieben. Meine Freunde waren von dem Kindermärchen so begeistert, dass ich mich entschloss weiter zu machen“, verriet Brünnler im Gespräch mit dem „MM“.

Abenteuer Bahn – Schriftsteller Lothar Seidler wird in seinem Leben wohl schon so manche beschwerliche Reise mit der Deutschen Bahn unternommen haben. Des einen Leid, des and’ren Freud. Die Besucher jedenfalls genießen die bissige bis verzweifelte Kurzgeschichte über eine abenteuerliche Reise nach Berlin.

Nachdenkliche Verse, viel Gefühl und schöne Metaphern stellt Sonja Viola Senghaus dem Publikum vor.
Für die nötige Entspannung zwischen den einzelnen Vorträgen sorgt besinnliche Musik von „Orfeo’s Erben“.

„Wir möchten regionalen Künstlern ein Podium bieten“, erklärt Schriftsteller und Radiomoderator Montalbano das Konzept der Veranstaltung. „Die Reihe Poetenfeuer findet seit 1999 statt. Wir möchten, dass sich die Leute mit den Künstlern auseinander setzen. Ich finde es gut, wenn die Schriftsteller nach der Lesung mit den Besuchern zusammen kommen“, meint Montalbano. „Das Konzept war sehr harmonisch“, urteilte Adelheid Graf, eine Galeristin aus Heidelberg nach der Lesung. „Besonders gut fand ich die Idee, mit Musik einen Abstand zwischen den einzelnen Themen zu schaffen“, meinte Graf. (pac)

Mannheimer Morgen, 7. November 2006

Zu meiner Person

Ich
Ergraut
nicht erstarrt
verträumt
und doch durchlässig
von innen
nach außen

(aus „Licht-Flügel-Schatten“)

 

 

Im Mittelpunkt meines Schreibens steht immer der Mensch, dessen Gefühle und Befindlichkeit in der Sprache der Natursymbolik und der bildhaften Metapher geschildert werden. Die Worte sind verknappt, verdichtet, chiffriert, auf das Notwendigste reduziert. Alle Stationen und Situationen, die Menschen durchleben im positiven wie auch im negativen Sinne, finden sich in meinen Texten wieder.

Eigene Wege zu finden und zu beschreiten, aus der Ausweglosigkeit herauszufinden, aber auch Hoffnung und Anteilnahme in einer entfremdeten und von Kälte geprägten Gesellschaft zu wecken, trotz flüchtig, brüchig und zerbrechlich gewordener zwischenmenschlicher Beziehungen, sind meine Anliegen.

Die Frage von Franz Kafka, „wie man jemanden nur durch das geschriebene Wort zum Bleiben bewegen kann“, musste mir niemand stellen. Schon früh entdeckte ich meine Vorliebe für Literatur. Deshalb war die Gefahr, in ein Buch versunken, ‚als Träumerin entlarvt’ zu werden, an der Tagesordnung.

„Mich dünkt der Traum eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freie Erholung der gebundenen Phantasie, wo sie alle Bilder des Lebens durcheinander wirft und die beständige Ernsthaftigkeit des erwachsenen Menschen durch ein fröhliches Kinderspiel unterbricht. Ohne die Träume würden wir gewiss früher alt.“

(aus Novalis: „Blaue Blume & Karfunkelstein“)

 

 

Ein Blau

Ich lasse dich ein
in mein Ätherhaus.
Du schreitest
mit moosbedeckten Füßen
durch meine Wolkenräume
und wirfst
aus deinem prächtigen Gefieder
ein Blau mir zu.

(Sonja Viola Senghaus)

Findung
Ich schreibe
weil die Worte
mich finden

(aus „Schreiben. ich schreibe, weil …“)

> zu meiner Vita

„Sie saßen und tranken am Teetisch“

NECKARAU: Vier Autoren tauchen mit den Gästen im Café Zeilfelder in romantische Traumwelten

Mit einer szenischen Lesung haben am Samstagnachmittag vier Autoren das Nebenzimmer des Café Zeilfelder in eine romantische Teestube verwandelt. Sie entführten die Zuhörer mit klassischen und zeitgenössischen Gedichten zu Themen der Romantik in eine kleine Traumwelt.

„Wo kann ich Dich heute finden, Zauberwort, ich hör Dich kaum?“, fragt Autorin Petra Barking in ihrem Antwortgedicht auf die bekannte „Wünschelrute“ von Joseph von Eichendorff. Diese Verse sind nicht nur Ausdruck von eigenen Gefühlen, sondern auch eine Nachricht an die heutige Zeit, in der das Materielle betont wird und der Lyriker romantische Züge vermisst. „Wir möchten den Menschen ein Stück dieses romantischen Lebensgefühls mitgeben“, sagt Elisabeth Wietor. Die beiden Frauen versuchen sich zum ersten Mal als Autorinnen. Nach anfänglicher Nervosität überzeugen sie durch eine lebhafte und doch träumerische Vortragsweise.

Die beiden literarisch erfahrenen Herren am Teetisch, Hans-Ludwig Herder und Kurt Thöt, erfassen in ihren Gedichten die Natursymbolik, das Hadern mit dem Leben und die Selbstreflexion, die die Gedichte großer Romantiker auszeichnen. „Man möchte sich selbst ausdrücken, weiß aber nie, wie es bei den Zuhörern ankommt“, sagt Thöt. Er bedaure, dass statt Phantasie heute oft nur Sachlichkeit in den Köpfen der Menschen verhaftet sei. Umso mehr freuen er und seine Kollegen sich über die große Resonanz an Zuhörern.

Zwei Monate lang haben die vier anwesenden Autoren und der am Samstag verhinderte Peter Saueressig an einem Workshop der Volkshochschule Heidelberg teilgenommen. Lyrikerin Sonja Viola Senghaus hatte ihnen Klassiker näher gebracht und Einblicke in die Dichtung der Romantik als Schreibkunst und Lebensgefühl gewährt. Es war ihre erste Lesung mit Teilnehmern aus einer Schreibwerkstatt. „Es sind einfach schöne Texte entstanden, vor allem, weil sich die Autoren mit sich selbst beschäftigt haben“, sagt Senghaus.

Begleitet von klassischer Musik tauchen die Zuhörer am helllichten Tag ein in die Nacht mit geheimnisvollen Traumbildern und der Sehnsucht der Romantiker. Mit zynischen Versen zur Neckarromantik entlässt Hans-Ludwig Herder sie wieder in die wirkliche Welt. Sie bleiben noch gemütlich zu einer Tasse Kaffee und sind sich einig, dass sie gerne noch ein paar Minuten länger in der romantischen Welt verweilen würden. doe

Mannheimer Morgen
13. September 2006

Romantische Lesung im Grünen

Lesung der Autorengruppe Literaturoffensive im Schwetzinger Schlossgarten

Trotz drohender Regenwolken am Himmel fanden über 50 Zuschauer den Weg zum Minerva-Tempel im Schwetzinger Schlossgarten. Sogar gelegentliche Regenschauer konnten das Interesse des Publikums in keiner Weise mindern.

Die Autorengruppe Literaturoffensive (LitOff), Heidelberg, las am letzten Sonntag beim Minerva-Tempel (neo)romantische Texte. Diese Lesung gehörte zu den landesweit über 130 geförderten Veranstaltungen des Baden-Württembergischen Literatursommers 2006 „Im Spiegel der Romantik“.

Schon Hölderlin und Eichendorff fühlten sich vom Schwetzinger Schlossgarten „unwiderstehlich angezogen“. Diese Tradition setzte die Literaturoffensive mit ihrer romantischen Lesung im sommerlichen Grün des Schlossgartens fort. Die von den Autoren und Autorinnen organisierte Lesung bot ein ansprechendes literarisches Bühnenprogramm, das durch die romantischen Klarinettentöne von Johannes Hoffend umrahmt wurde.

Die Autorinnen und Autoren Olga Manj, Thomas Neu, Gisela Hübner, Jancu Sinca, Sonja Viola Senghaus, Lothar Seidler, Anette Butzmann, Wilhelm Dreischulte und Karsten Mekelburg präsentierten Texte, die von metaphernreicher Lyrik über neoromantische Stilistik bis hin zu einer antiromantischen Satire den Bogen spannten. Wie von Anette Butzmann und Lothar Seidler, den Initiatoren der LitOff, bereits in den einführenden Worten bemerkt, war es eine wichtige Idee der Romantik, die Literatur aus dem höfischen Umfeld heraus und in die Nähe der Bürger zu bringen. Übertragen in das Hier und Jetzt sei die LitOff romantisch, da sie die Fahrt auf dem literarischen Fluss gegen den Mainstream, aber immer mit den Lesern im Boot unternehme.

Hierzu sei eigens so etwas wie ein Literarischer Salon entstanden, der bereits zur zeit der Romantik sozusagen erfunden wurde. Alle interessierte Schreibende, die ihre Texte einem ersten Publikum vorstellen oder die einfach nur zuhören wollen, sind, sind zu den regelmäßig stattfindenden offenen Lesungen in Heidelberg eingeladen. Denn, wie sagte bereits Novalis so treffend: „Der wahre Leser, muss der erweiterte Autor sein“

Die Autorengruppe LitOff ist seit 17 Jahren im Rhein-Neckar-Raum aktiv und hat mehrere Anthologien und Einzelpublikationen, darunter auch zwei Hörbücher, veröffentlicht. Außerdem präsentiert sie im Bermudafunk regelmäßig die literarische Sendung „LitOff Extra.Bla“.

Evangelische Erwachsenenbildung Rhein-Neckar-Süd

 

21. Juli 2006, „Begegnungen“ mit Sonja Viola Senghaus und Andreas Rathgeber in der Stadtkirche in Wiesloch“

Am Abend fand dann in der Stadtkirche in Wiesloch ein kulturelles Programm mit Sonja Viola Senghaus (Lyrik) und Andreas Rathgeber (Musik) statt.

Da es am Abend nur unwesentlich kühler und auch die Stadtkirche sehr warm war, kamen auch hier nur wenige Gäste, die allerdings eine ganz besondere Begegnung zwischen Worten und Tönen erlebten.

Das Programm der beiden Künstler hieß auch „Begegnungen“ und neben den sanften, bissigen oder auch mal provozierenden – jedenfalls immer sehr nachdenklichen Gedichten von Sonja Viola Senghaus faszinierte Andreas Rathgeber mit einer Vielzahl von zum Teil originellen Instrumenten, mit denen er die Gedichte unterstrich, betonte, in Szene setzte. Schade, eigentlich, dass nur so Wenige dieses Programm erlebten!

Wieslocher Woche 30/2006, Foto: KHP „Sonja Senghaus und Andreas Rathgeber im Einklang bei Lyrik und Musik“

 

 

Auszüge aus „Literarisch-musikalische Vorstellung in der ev. Stadtkirche“

(kob). Zu ihrem 25jährigen Jubiläum bekam die Evangelische Erwachsenenbildung Rhein-Neckar-Süd kurzerhand eine 10-prozentige Kürzung ihres Budgets beschert. Angesichts des Umstands, dass sich selbst mit geringen Mitteln solche qualifizierten Veranstaltungen wie diejenige dieses Abends gestalten lassen, erkennt man, dass andere Sektoren ihrer Arbeit betroffen sein mögen, nicht aber der stets rege schöpferische Geist.

Sonja Viola Senghaus aus Neulußheim, die Lyrikerin, des Abends, ist Wortfinderin, Wort-Verbinderin und Wort-Wenderin. Ihr Werkzeug ist ausschließlich unsere Sprache. Als Dichterin verdeutlicht sie den Reichtum unseres Wortschatzes. …
Sie belegt, dass es heute noch diese Empfindsamkeit und romantische Begegnung miteinander, mit der Natur und den kleinen Dingen gibt, dass Sprachvermögen noch blüht, wo dumpfe Sprachlosigkeit sich auszubreiten schien. Allerdings sind ihre Eingebungen und ihr Stil nicht völlig neu, aber wer soll dem eigentlich verbieten, auf den Spuren Manfred Hausmanns, Rainer Maria Rilkes oder Georg Trakl zu wandern? Was sie denkt oder empfindet, und wie sie es beschreibt oder sagt, unterliegt ihrer dichterischen Autonomie, ist eine Frage der höchstpersönlichen momentanen Eingebung und damit dem kritischen Kommentar entzogen. Je nach der Zeit und persönlichen Verfassung, wird man sich mit manchem spontan identifizieren, anderes unberührt überlesen und Drittes mit leichter Irritation zur Kenntnis nehmen.

Die Begegnung mit ihren poetischen Zeilen folgt den Regeln, die sich wie von selbst beim Lesen eines Gedichtbands ergeben. Je nach der Zeit und persönlichen Verfassung, wird man sich mit manchem spontan identifizieren, anderes unberührt überlesen und Drittes mit leichter Irritation zur Kenntnis nehmen.
… So konnte sie zum Beispiel im Verbund mit der Musik Andreas Rathgebers und den eingespielten Naturgeräuschen das innere Bild von weiten, in den Gezeiten driftenden Landzungen am Meeressaum erzeugen, auf welchen die Natur frei waltet. Andreas Rathgeber beherrscht mehrere Musikinstrumente und trug eine bunte Palette der Begleitung und der Zwischenspiele bei. Anzumerken ist nur, dass die Vielzahl der von Frau Senghaus in einem Wort oder Satz gestreifte Bilder beim Zuhörer intensive Reflektionen auslösten, um im nächsten Wort oder Satz verwandelt, hinterfragt oder von völlig neuen Bildern abgelöst zu werden. Neues dichterisches Bewältigungsvermögen eröffnet sich gegen Ende mit dem Titel „Demenz“.

Gedichte „10. Mai 1933“ und „Tableau noir“ in: Matrix, Ausgabe Nr. 4/2006

MATRIX Zeitschrift für Literatur und Kunst, Ausgabe Nr. 4/2006 (6), Pop- Verlag, ISBN 3-937139-24-9

Schwerpunktthema: Angst

Tableau noir
(Ovids Traum)

Nachtschwere in zarter Hand
Kreuzzeichen kopfüber Hals
gesichtsloses Schwarz auf Samt und Seide

der gepuderten Maske entkommen
Gebeine erhellt von Wolkenschaum
und Amor gefesselt am Baum der Erkenntnis

(Sonja Viola Senghaus)

10. Mai 1933

„Es ist ein merkwürdiges Gefühl,
ein verbotener Schriftsteller zu sein
und seine Bücher nie mehr
in den Regalen und Schaufenstern
der Buchläden zu sehen.“
(Erich Kästner)

Als deine Bücher
brannten in der Glut
schrie das
bedruckte Papier
loderten die Worte
Gespenstern gleich
aus der Glut
und brannten sich ein
in unser Fleisch

(Sonja Viola Senghaus,
21. März 2004)